Vorweg ein kleiner Disclaimer: Im folgendem Text gebe ich lediglich meine eigenen Sichtweisen und Gedanken wieder. Mir ist durchaus bewusst, dass dieser Text nicht jedem zusagen wird oder kann, da es zu viele Lebensweisen und -umstände gibt, die mit dieser Sichtweise nicht in Einklang zu bringen sind. Ich bin auch kein Finanzexperte (Gott bewahre) und gebe hier ausdrücklich keine Handlungsaufforderungen oder Ratschläge! Jeder entscheidet selbst über seine Finanzen und ist allein für die Ergebnisse und Konsequenzen verantwortlich.
Auf dem Blog simplicity365 hat die Autorin kürzlich ihre Fixkosten in Arbeitstage umgerechnet. So etwas wird, in der einen oder anderen Form, sicherlich jeder schon einmal gemacht haben. Und es ist auch durchaus sinnvoll, sich einmal vor Augen zu führen, was das Leben und vor allem die eigenen Konsumwünsche kosten. Ich mache solche Rechnungen natürlich auch.
Zeit ist Geld
Wie oft habe ich diese (leere?) Phrase schon gehört? Es mag ja durchaus sein, dass wir unsere Zeit unter gewissen Umständen durch unsere Arbeitskraft (in welcher Form auch immer) in Geld umwandeln können. Jedoch finde ich diese Aussage sehr schwammig und nicht unbedingt zutreffend. Denn eine Zeiteinheit ist in unserer Gesellschaft nicht unbedingt gleich eine Geldeinheit. Zudem ist es nicht einfach möglich Arbeitszeiteinheit in eine Geldeinheit zu tauschen. Dazu benötigen wir beispielsweise einen Arbeitgeber oder eine selbstständige Tätigkeit, für die uns jemand bezahlt, wobei Bezahlungen nicht unbedingt immer in Geld erfolgen müssen. Außerdem kann die psycho-physische Einheit „Mensch“ nicht beliebig viel Zeit in Geld tauschen. Dieser Versuch führt heutzutage viele Menschen in Depressionen und Burnout. Deshalb drehe ich den Spieß einfach um:
Geld ist Zeit
Ich kann natürlich kein Geld in Zeit umwandeln. Eine solche Welt wäre auch nicht lebenswert, wie der Film In Time auf beeindruckende Weise zeigt. Wenn ich aber ziemlich genau weiß, wie viel Geld ich zum Leben brauche, habe ich mehrere Möglichkeiten:
– Ich kann meine Lebenszeit, in der ich versuche Zeit in Geld zu tauschen einschränken, um mich meinen Wünschen und Träumen zu widmen. Dazu würden Teilzeitbeschäftigungen oder andere Lebensweisen zählen, die Jan Grossarth in „Vom Aussteigen und Ankommen“ beschreibt.
– Weiter kann ich auch Geld in Zeit tauschen, indem ich erst einen gewissen Betrag anspare, den ich dann in „frei verfügbare“ Lebenszeit eintauschen kann. Das kann in Form eines Sabbatjahres oder dergleichen geschehen. Der Ansparzeitraum sollte hierbei aber nicht zu lang bemessen werden. Wenn ich beispielsweise mein Leben im Ruhestand genießen will und zuvor über Jahrzehnte blind Geld anspare, kann dies zu den schon oben erwähnten Burnouterscheinungen führen. Und im schlimmsten Fall erreiche ich vielleicht nicht mal mehr dieses Alter oder kann die Zeit durch Krankheit nicht vernünftig genießen. Natürlich wünscht sich jeder für sich keinen solchen Lebensabend, aber keiner weiß heute, was die Zeit bringen wird.
Diese Denkweise, dass sich Geld durchaus in Zeit umwandeln lässt und die sich daraus ergebenen Konsequenzen für das eigene Leben sind jedoch nicht einfach umzusetzen. Sie sind nicht bzw. nur schwer und durch Anstrengung mit den Normen und Gepflogenheiten unserer heutigen Gesellschaft kompatibel. Auch wird Mut und ein gewisser Eigensinn für eine Umsetzung vorausgesetzt. Nicht jeder will bzw. kann seine Arbeitsstundenanzahl reduzieren oder ist bereit erkämpften Lebensstandard aufzugeben. So versucht man sich zu arrangieren. Dies kann klappen, muss es aber nicht.
Zudem hat sich in den letzten Jahren, spätestens seit den diversen „Krisen“ seit 2008, eine tiefsitzende Angst vor sozialem Abstieg, Arbeitslosigkeit und der Aufgabe der errungenen Bequemlichkeit gebildet. Hier stelle ich mir oft die Frage, ob hier nur Angst geschürrt wird, oder ob diese Ängste berechtigt sind.
Der Minimalismus und das Führen eines einfachen Lebens ist eine Antwort auf diese Krisen, geben aber auch, durch die Aufgabe von exzessivem Konsum, mehr Raum für die obigen Überlegungen.
Ein hypothetisches Beispiel: Wenn man weiß, dass 1600 Euro pro Monat für ein Zweipersonenhaushalt (Quelle) benötigt werden, kann ich schnell einschätzen, wie viel Zeit ich für einen Mittelklassewagen für verliere, der ca. 17.000 Euro in der Grundausstattung kostet. Man könnte also mindestens über 10 Monate ein freies Leben führen, vermutlich jedoch länger. Das heißt, fast ein Jahr „am Meer“ oder in den Bergen leben. Ein Jahr an dem Roman schreiben, für den man immer Zeit haben wollte. Ein Jahr anderen Menschen helfen, ein Handwerk erlernen, die Natur studieren, das eigene Kind aufwachsen sehene oder mit dem Rad die Welt umrunden. Halt seine eigenen Träume leben. Anstatt eines Autos hätte man sich ein freies, bewusstes Jahr erarbeitet, um diese umzusetzen oder zumindest zu beginnen!
Wie weit man diesen Gedanken folgen kann oder möchte und ihnen vielleicht die Chance zum Wachsen gibt, bleibt jedem selbst überlassen. Ich bin durchaus der Überzeugung, dass Geld sich unter den beschriebenen Voraussetzungen in qualitativ hochwertige, freie und bewusste Zeit eintauschen lässt. Aber ich glaube auch, dass man dies wirklich wollen muss und bereit sein muss, dafür auch viele Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen…
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