Technik
Kommentare 10

Warum wir nicht mehr, sondern weniger Apps brauchen…

In der vergangenen Woche zeigte Apple auf der WWDC einen kleinen Imagefilm für deren Appentwicklung. In dem Video zieht ein neuer Mitarbeiter von Apple den Stecker einer Serverfarm, was zur Folge hat, dass sämtliche Apps auf den Smartphones gelöscht werden. Die Folge ist eine Apokalypse. Da das Video nur 3 Minuten geht, habe ich es einmal in diesen Beitrag eingefügt.

Der kleine Film zeigt als Folge einer „Appokalypse“, wie die Menschheit ohne Apps und Smartphones im Chaos versinkt:

Kinder schreien und weinen, weil ihre Spielprogramme auf den Tablets nicht mehr funktionieren. Autofahrer bauen massenhaft Unfälle, weil ihre Navigationssysteme ausgefallen sind. LKW explodieren. Frauen laufen verzweifelt durch die Straßen und verteilen ausgedruckte Selfies, die niemand will. Ein ebenso frustrierter Mann versucht, seine Umwelt davon in Kenntnis zu setzen, dass er „eine riesige Pizza ganz alleine gegessen“ habe. Und der AppStore wird als ein verkommener, zwielichtiger Marktplatz ersetzt, auf dem fliegende Händler an mittelalterlich wirkenden Ständen Musik-CDs, Bücher, Karten verkaufen oder vermeintliche Schönlinge sich auf kleinen Balkonen als Lustobjekte anbieten (Tinder).
Erschreckend anschauliche Bilder die zeigen, wie eine Welt aussehen würde, in der wir unser Onlineverhalten 1:1 in die Realität übertragen.
Apple ruft als Fazit die Parole aus, dass die Welt genau deswegen all die vielen Appentwickler dringen benötigt. „Die Welt zählt auf dich!“

Falscher Blickwinkel

Wie falsch diese Schlussfolgerung doch ist. Schon beim ersten Sehen dieses Videos stieg in mir ein sehr ungutes Gefühl auf. Denn diese Bilder lassen mich zu einer komplett gegenteiligen Schlussfolgerung gelangen: Schafft die Apps ab!
Nicht nur, weil die Welt wirklich im Chaos versinken würde, wenn für mehrere Tage das Internet, Smartphones oder gar der Strom ausfallen* würde. Sondern vor allem deswegen weil dieser Film aufzeigt, wie abhängig wir von diesen Gegenständen und Dienstleistungen geworden sind:

Kinder müssten persönlich betreut werden, anstatt sie an Tablets und andere Unterhaltungselektronik abzuschieben. Autofahrer müssten sich in ihrer Umgebung selbst orientieren und eine Karte lesen können; nicht blind den Anweisungen einer Computerstimme folgen. Man müsste sich für ein paar Musikalbumen, Bücher oder einen Film entscheiden und nicht immer alles und das gleich haben wollen. Und viele Menschen müssten sich, (welch eine grausige Vorstellung) wieder mit anderen Menschen in ihrer Umgebung unterhalten. Sie würden ein reales, soziales Wesen sein und ihre heute leider akzeptierte und allgegenwärtige narzisstische Arroganz wieder verlernen.

Offline und Analog

Mir zeigt dieses Video nicht, dass wir mehr Entwickler, mehr Apps und mehr Technik brauchen, sondern dass wir weniger davon brauchen. Viel weniger!
Wir sollten wieder lernen, mit Menschen zu sprechen, mit ihnen real und von Angesicht zu Angesicht zu kommunizieren. Wir sollten verlernte Eigenschaften wiederentdecken und neu erlernen (Straßenkarten lesen, im Kopf oder auf dem Papier rechnen, etc.). Wir sollten wieder dedizierte Geräte für wenige Tätigkeiten nutzen (Offline Musikplayer oder Fotoaparate), anstatt alles mit einem zu machen, welches uns bei allem ständig überwacht. Und wir sollten wieder lernen, Entscheidungen zu treffen und nicht immer alles auf einmal, sofort und ab besteb kostenlos haben zu müssen.

Aber warum sind wir so?

Warum nutzen wir diese neuen Techniken in einem solchen Ausmaß? Warum machen wir uns so sehr abhängig?
Ganz einfach: Weil es einfach, bequem und billig ist. Weil es uns vermeintlich den Alltag erleichtert, aber in wirklich diesen nur digital verhüllt. Wir versprechen uns von der Nutzung mehr Kompfort und ein einfacheres Leben. Dabei würde der verzicht auf einen Großteil der smarten Geräte und Apps unser leben wesentlich einfacher gestalten. Und wenn dies nicht der Fall ist, so beschäftigen wir uns trotzdem wieder intensiver mit den Dingen, die wir gerne nutzen.

Ich muss mir bei all diesen Dingen natürlich aber auch selbst an die Nase fassen. Ich war lange jemand, der bei dieser Entwicklung ganz vorne gelaufen ist. Mein erstes Smartphone besaß ich bereits, als Apples iPhone noch gar nicht in Entwicklung war (nämlich 2003: Nokia 3650 mit Symbian OS). Diese Geräte waren zwar auch smart, aber komplett offline.
Erst seit etwa einem dreiviertel Jahr lerne ich die Vorteile des Verzichts auf smarte Technologien immer weiter kennen und schätzen. Ob es Musik auf MiniDisc ist oder die eingeschränkte nutzen des Smartphones.
Gerade letzteres hat in den vergangenen Wochen, vor allem im Hinblick auf den Datenschutz eine große Relevanz in meinem Leben bekommen. Aber dazu später mehr.

Vielleicht hast du ja bei diesem Film ähnliche Gedanken und Gefühle gehabt. Oder bist vielleicht anderer Meinung? Schreib mir dazu doch einen Kommentar. Ich bin gespannt, ob ich einfach nur übertreibe oder ob meine Gedanken zu diesem kleinen Imagefilm doch nicht ganz falsch sind…

10 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert