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Weniger Angst. Mehr leben (1)

Ich freue mich, heute den Ersten von einfachweniger-Autor Toffel geschrieben, zweiteiligen Artikel veröffentlichen zu dürfen. Vielen Dank für Deine Gedanken und Denkanregungen!

Für den dänischen Prediger und Philosophen Sören Kierkegaard (gest. 1855) ist Angst eine bestimmende Größe im Leben des Menschen.

Ihre Ursache will er in einem Mangel an Geborgenheit erblicken, vor allem jedoch in der Schwindel erregenden Freiheit, die einen Menschen angesichts der vielen Wahlmöglichkeiten des Lebens erstarren lässt.

Aber ist Angst angebracht angesichts der einzigartigen Freiheit unser Leben selbst zu entwerfen?
In anderen Worten: Müssen wir Angst haben angesichts der „ungeheuren“ Vorstellung vom Menschen als einem Universum an Möglichkeiten?

Fest steht: Uns kann die Angst befallen oder wir bekommen es mit der Angst zu tun.
Und dies auf vielerlei Weise.

Entscheidungen

Da ist die Angst davor, die falsche Entscheidung zu treffen.
Den falschen Abzweig auf dem Lebensweg einzuschlagen.
Oder davor, sich in der adrett und warmherzig wirkenden Prinzessin zu täuschen, die sich nachher als Giftzwerg und emotionaler Kühlschrank entpuppen kann.
Der große Bruder dieser Angst ist der Trieb alles „richtig“ und „perfekt“ machen zu müssen.

Die anderen…

Dann kennen wir die Angst vor dem, was andere sagen oder denken (könnten).
Ist es verrückt, die Anzahl seiner Haushaltsgegenstände auf ein Mindestmaß zu reduzieren?
Ebenso die verschiedenen Duschgels, Shampoos, Spülungen, Cremes und Lotions auf ein hautverträgliches Maß? Oder seine Zeit mit dem Lesen von Blogs zum Thema Minimalismus zu verbringen, gar einen „Stammtisch“ zu gründen?

Unser Verlangen nach Sicherheit

Oder die Angst vertraute Pfade und Vorstellungen zu verlassen.
Diese Angst ist es, die Menschen dazu anhält, auf dem sprichwörtlich längst tot gerittenen Pferd sitzen zu bleiben.
Und dies nur, weil ihnen die zwei, drei oder auch 30 Schritte zum neuen Pferd so unendlich weit erscheinen und ihr Gang zu Fuß einem einzigen Torkeln gleichkommt.
Was sie mit einem „neuen Pferd“ alles erreichen können, darauf versperrt diese Angst den Menschen die Sicht.
Die Angst, das Gewohnte, das lieb Gewonnene zu verlassen ist mächtig.
Ihre große Schwester ist das Verlangen nach Sicherheit.

„Hilfe! Ich komm‘ zu kurz!“

Menschen haben auch Angst, zu kurz zu kommen.
Nicht verzichten können, haben wollen, was man irgendwo, bei irgendwem sieht.
Manche Kinder ticken schon so. Und manch ein Erwachsener tickt hier wie solch ein Kind: „Will ich haben und zwar sofort.“
Oder wer in einer Paar-Beziehung auf einem „do, ut des“ beharrt, hat vermutlich wenig oder nichts davon verstanden, wie schön und bereichernd es ist, sich einander zu schenken ohne sogleich mit der gemachten Rechnung in der Hand zu winken.
Ich kann mich nicht darüber auslassen, wo diese Form der Angst überall eine Rolle spielen mag: In der Familie, unter Kollegen, in der Partnerschaft, vielleicht sogar im Tarifstreit, wer weiß.

Natürlich, das Leben ist endlich. Und die Vermögenssteuer an der – falls ihr daran glaubt – Himmelspforte beträgt 100%.
Grund genug, in dieses Leben alles Mögliche unterzubringen an Erlebnissen, Errungenschaften, an Reich- und Besitztümern.

Die Angst zu kurz zu kommen, geht einher mit der (oft sehr leisen) Gier nach Anerkennung.
Diese Gier hat schon manches Betriebsklima vergiftet, manch eine Beziehung vernichtet, kurz: Viel Porzellan zerschlagen.

Diese – mehr „lebensphilosophischen“ als wissenschaftlichen – Überlegungen lassen doch eine Sache wünschenswert erscheinen:

Ein Leben zu führen, in dem Angst uns zwar dann und wann begegnen darf, sie jedoch keine Rolle mehr spielt, geschweige denn das Drehbuch schreibt.